Und was haben Frösche mit Sprachförderung zu tun?

Ich suche vergeblich nach einer Antwort. Allerdings treibt mich diese Frage um, seit ich sie in einem Übungsheft für Zweitklässler las. Die Schülerin, die leistungsdifferent beschult wird, musste glücklicherweise in einer Fülle belangloser Sätze nur die richtigen Satzzeichen finden und einsetzen. Sie spricht kaum Deutsch und ich frage mich, was sie hier lernt.

Sie wird kaum auf die Idee kommen, den Inhalt zu hinterfragen. Und wenn doch? Dann könnte sie nach kurzer Recherche im Netz antworten „Sie fressen Fliegen, Mücken oder Käfer wie an jedem Tag“. Ist die Schülerin dazu in der Lage? Kennt sie eigentlich die Bedeutung der Wörter in diesem Satz? Ist sie in der Lage, diesen Sachverhalt zu recherchieren und sinngemäß niederzuschreiben? Darauf gibt es von mir ein klares Nein. Und selbst wenn sie all diese Kompetenzen mitbrächte, warum wird danach gefragt, was die Frösche am Freitag fressen?

Unsinnige Inhalte in der Sprachförderung vermeiden

Glücklicherweise versteht das Mädchen nicht, welche unsinnige Frage hier in ihrem Arbeitsheft zum Deutschlernen aufgeschrieben ist. Sie versteht das, was ihr aufgetragen ist, zu tun: Setze die richtigen Satzzeichen. Sie hat dabei drei Symbole zur Auswahl, den Punkt, das Ausrufe- und das Fragezeichen. Vermutlich hat sie gelernt, dass das Fragezeichen die richtige Antwort ist, wenn am Anfang des Satzes ein Was steht. Ist das sinnvolles Lernen? Die Schülerin folgert „Nach Was kommt ein ?“ und sie setzt das Fragezeichen richtig ein. Die anderen Wörter zwischen Was und ? spielen keine Rolle für die richtige Lösung. Ich frage mich, warum stehen sie dann da? Ist es vielleicht ein lustiges Sprachspiel mit fr, Fr und Fr, gar der Hinweis auf eine Alliteration? Auch hier sehe ich wenig Chancen, dass sich das Mädchen damit auseinandergesetzt hat.

Was ist Lernen? Diese Frage steht über allem, wenn wir Unterricht machen und Lernen ermöglichen. Diese Art des instruktionsgebundenen Lernens „Auf Was folgt ?“ ist Lernen ohne Sinn, ohne Gehalt, ohne Verstehen dessen, was Sprache ausmacht. Dieses rein formale Abarbeiten sinnleerer Fragen und Aussagen wird kein Kind in die Lage versetzen, die deutsche Sprache besser zu sprechen, zu lesen und zu verstehen. Das Mädchen hat keine Chance, die eigene Lernzeit so zu nutzen, dass es Kompetenzen im Spracherwerb erlangt. Und der Unterricht ist die einzige Chance, an dem es die deutsche Sprache lernen kann. In der Pause spielt es mit den Freundinnen der gleichen Muttersprache, zu Hause wird nicht deutsch gesprochen. Wundern wir uns noch über Kinder, die nicht deutsch sprechend und verstehend in unsere Schulen kommen und diese mit geringen Deutschkenntnissen wieder verlassen?

Was fressen Frösche am Freitag?

Wir wundern uns nicht genug. Wir sind dankbar, wenn das Kind brav und ohne aufzufallen im Unterricht seine Aufgaben abarbeitet. Die Schülerin freut sich, wenn alles richtig gelöst ist. Alle sind zufrieden. Allerdings findet hier kein Lernen statt. Denn Lernen geschieht in sinnstiftenden Situationen, in Kontexten, in denen das Kind sich aktiv mit Sprache auseinander setzt. Dazu braucht es Formate und Lernsituationen, die genau an dem Lernstand des Kindes anknüpfen. Bleiben wir in diesem Beispiel, so wird klar, dass zunächst die deutschen Wörter in ihrer Bedeutung, Aussprache und Anwendung eine Rolle spielen. „Frösche fressen.“ Wie sehen Frösche eigentlich aus? Wo leben Frösche? Wie wird dieses schwierige Wort gesprochen? Wie heißt es, wenn es nur einen gibt? Was fressen sie? Wie heißt es, wenn nur einer fressen möchte? Frösche fressen. Ein Frosch frisst. Ich kann auch Zahlen vor den Satz stellen. Zwei, drei oder vier Frösche fressen oder tausend … Was passiert, wenn ich die Wörter im Satz tausche. Fressen Frösche? Ist das ein Satz oder eine Frage? Wie kann ich das so aussprechen, dass es wie eine Frage klingt? Wir können diese kleine Lernsituation mit mehreren Kindern gestalten. Die Wörter können gesprochen oder geflüstert, können als Stille Post von Kind zu Kind wandern. Frösche können hüpfen – das können Kinder auch. Lernen mit Bewegung fördert die Motivation und die Freude am Lernen. Die aktive Auseinandersetzung wirkt nachhaltig und beziehungsstiftend, wenn in der kleinen Gruppe mit der Lehrkraft gesprochen wird. Frösche fressen Fliegen. Dazu gibt es ein Bild, einen kleinen Film; Wissen wird erworben. Frösche fressen Fliegen. Dieser Satz wird zum Zungenbrecher. Frage- und Antwortübungen mit Bildern werden angeregt. Die Lehrkraft achtet auf die richtige Aussprache. Zu einem späteren Zeitpunkt im Lernprozess darf jedes Kind einen „Quatsch- Satz“ sagen „Frösche fressen Autos“. Alle können mitlachen, weil sie verstehen.

Verabschieden wir uns bitte vom Abarbeiten stupider Aufgaben, die auch für die Kinder keinen Mehrwert bringen, die gute Kompetenzen in der deutschen Sprache mitbringen. Kindgerechtes Lernen bedeutet, alle Kinder ernst zu nehmen in ihren Fähigkeiten und im Unterricht echte Lernzeiten zu ermöglichen, die Lernfortschritte genau dort ermöglichen, wo es stärkend und fördernd ist. Kommen wir mit den Kindern ins Gespräch, in Beziehung und in Bewegung. Vergeben wir nicht leichtfertig die Chancen, die wir in der Grundschule haben.

Bleibt nur noch zu klären, was denn Frösche am Freitag fressen.


von Birgit Kilian

Der Text stammt aus Grundschule aktuell Heft 162 (2023) zum Thema „Ganztag – Den ganzen Tag Schule?“ und wurde von Birgit Kilian zur Verfügung gestellt.

Birgt Kilian ist die Inhaberin von Format Bildung und als Beraterin für Schulentwicklung, Systemische Coachin und Moderatorin für WWSE© bundesweit aktiv. Als langjährige Lehrerin und Leiterin einer Grundschule und Leiterin eines Schulzentrums, Referentin für Schulentwicklung und Schulgründerin haben sie die Themen rund um gute Schule immer begleitet. Sie ist Mitglied im Grundschulverband in der Landesgruppe Sachsen.